Das Expeditionstagebuch:
12. Mai bis 18. Mai 2021
800 KM, 45 Tage, 1 Mission: Unsere NORMALROUTENVERLASSER Franzi, Hanna und Ruppert durchqueren Grönland auf ihrer „Mission Eis-Check 1912“ – die Wiederholung der Grönland-Expedition des Polarforschers Alfred de Quervain von 1912, um dessen Messungen der Eisdicke zu wiederholen.
Als Sponsor unterstützen und begleiten wir ihre Expedition und geben Euch ihre Eindrücke in unserem Expeditionstagebuch wieder.

12. Mai 2021: Das Plateau
Heute Vormittag hatten wir 25 km/h Gegenwind, deshalb haben wir es uns in der Mittagspause im Biwacksack gemütlich gemacht, wo es schön warm war. Die Dichtemessung konnten wir in diesem Notshelter trotzdem durchführen.
Ab 13 Uhr kam ein leichter Ostwind auf, der uns von Frank Polte aus Norwegen gestern schon vorangekündigt wurde. Darauf haben wir uns am Abend vorher schon vorbereitet, aber leider war der Wind dann doch zu schwach – oder wir zu schwer.
Wir haben zwar keine nennbaren Kilometer mit dem Schlitten geschafft, aber ein paar Runden Kiten, die Spaß gemacht haben – oder ist das Zeitverschwendung? Laufend ging‘s dann weiter, sogar im T‑Shirt. Das erste Mal ist es ziemlich „flach“, schon noch steigend, aber keine Mulden mehr.
13. Mai 2021: Polarkreisüberschreitung
Wir haben endlich den Polarkreis bei 66° 33‘ 55‘‘ überschritten – das fühlt sich an wie die Freiheit – die Freiheit, die wir uns so nie vorstellen konnten. Komplettes White Out. Wir bewegen uns nur noch fühlend fort, oft wird uns schwindlig, man weiß nicht, wo es hoch bzw. runter geht.
Es ist relativ warm. Bei ‑10°C und Windstille können wir im Pulli laufen. Nachts hat es maximal ‑24°C. Die gefühlte Temperatur ändert sich schnell, von nackt baden im Schnee zu voller Montur mit Gesichtsmaske.
Wir befinden uns auf 2.000 HM, aber es sind immer noch 10 Tage bis wir den höchsten Punkt dieser Riesenwölbung auf 2.500 HM erreicht haben. Wir haben so viel Schnee, dass wir bisher auf dem direkten Weg keine Spalten gesehen haben. Auch nicht die Großen, die Quervain und Co. 1912 erlebt haben.
Wir schlängeln uns weiterhin durch Sastrugis, um den besten Schnee und den Weg durchs Labyrinth zu finden. Manchmal fallen die Schlitten um.
Franzi’s Ding des Tages war heute die gestrickte Wärmflasche von ihrer Schwester Joi.

Gletscherspalten, auf die die Quervain Expedition gestoßen ist
Foto von der Quervain Expedition 1912
14. Mai 2021: Fata Morgana
Am Abend scheint die Luft am Horizont zu flimmern. Kalte Luft fällt vom Inlandeis Richtung Küste ab, wenn die Sonne untergeht. Manchmal fällt das Tracking aus, wir sind aber wohlauf. Wir schätzen es passiert über 20 km einmal.
Es ist immer noch sehr wellig. Man spürt jede Steigung sofort. Es geht in Zickzack-Bewegungen durch die unterschiedlichsten Schneebeschaffenheiten. Gestern zur Polarkreisüberschreitung hat Ruppert „Urmel aus dem Eis“ rezitiert und die verschiedenen Stimmen imitiert und zum Einschlafen gibt’s für uns Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer. Er kann das hervorragend. Sonst unterhalten wir uns gern mit Aufgaben, die uns Hannas Freund Max für den Weg aufgenommen hat. Tanzen ist auch gut. Und Franzis Grimassen bringen uns auch immer wieder zum Lachen ganz nach ihrem Motto „Irgendjemand muss ja gut aussehen auf der Expedition“ (siehe Interview auf JMextraMile).
Wenn wir unser Camp verlassen, sagen wir „Tschüss lieber Schlafplatz“. Das hat sich in den letzten Jahren so eingependelt.
15. Mai 2021: Labyrinth
Heute war seit langem der anstrengendste Tag. In der Nacht hatte es ‑29°C, untertags ist es windig mit Sonnenschein. Wir bewegen uns weiter im Zickzackkurs durch die Sastrugis auf 2.160 HM. Je höher wir kommen und je weiter wir in das Inlandeis vordringen, desto kälter wird es. Der Schnee ist so fest und vom Wind hartgepresst, dass das Messrohr brüchig wird. Wir haben es gekürzt und hoffen so weitermachen zu können.
Man denkt, es wäre einfach hier auf der Fläche einen Schlafplatz zu finden, aber wir müssen jeden Abend in diesem Meer aus Sastrugiwellen einen geeigneten Platz finden. Die Bedingungen fordern uns einiges ab. Wir haben leichte Blessuren, Überlastungserscheinungen und es zwickt hier und da. Jeden Tag werden die Schlitten dafür insgesamt 3 kg leichter.
Zur Körperhygiene: Wir können uns noch ganz gut riechen mit Zahnbürsten, Schnee und Deo 😉
Zu unserem Tagesablauf: Morgens um 6 Uhr klingelt der Wecker. Dann schmelzen wir 15 l Wasser aus Schnee. Wir laufen jeden Tag 10 Stunden von 8:30 bis 18:30Uhr nach Kilometerabschnitten – 2 km, 3 km, 4 km je nach Tagesverfassung und ‑zeit. Wir machen vier Pausen am Tag, je 30 Minuten mit Hinsetzen, Biwaksack oder Sonnenbank :). Mit Messung ist es eine Stunde Pause. Wenn wir unsere Etappe beenden haben, verstreichen von Campsuche bis Schlafen zwei Stunden. Wir sind recht routiniert.
Nach diesem anstrengenden Tag heute freuen wir uns ganz besonders auf das Abendessen.
16. Mai 2021: Eiszauber
Heute Vormittag sind wir unsere ersten Schritte durch stumpfen und rauen Schnee gelaufen. Tagsüber macht der Schnee auf und wird gleitender, sonst kommen wir jedoch nur schleppend voran. Aber der Schnee glitzert und wir können die Schönheit und Weite hier immer noch nicht glauben! Wir genießen besonders die Sonnenstunden!
Wir sind gut in der Zeit und rechnen deshalb mit 8 bis 9 Tagen zum höchsten Punkt auf 2.500 HM. Für den Hochweg haben wir mehr Zeit eingeplant als für den Weg hinunter Richtung Westküste, zum einen wegen der Steigung, zum anderen aber auch wegen des Gegenwinds und Schlittengewichts. Wir sind also guter Dinge, was die Zeitplanung betrifft, aber wir werden sehen.
17. Mai 2021: Pulverschnee
Die Tage sind sehr ähnlich. Das Wetter bleibt im Moment gleich und die Marschabstände sind Routine. Heute Nacht hatten wir ‑30°C. Es war so kalt, dass vor der Maske die kondensierte Atemluft gefriert.
Wir haben philosophiert, was das alles bringt. 40 Tage durch Schnee und Eis. Keine Menschen. Keine blühende Natur. Es ist schön, dass wir uns auch darüber auszutauschen wie es uns gerade geht, was die bevorstehende Zeit so bringt.. Was ist Urlaub/Freiheit? Wir haben Lust auf eine große Gartenparty mit vielen Menschen. Winken schon vorbeifliegenden Flugzeugen.
Es wird endlich ein bisschen flacher, Sastrugis sind immer noch da, dafür auch Pulverschnee! Man denkt man ist bald „oben“. Es sieht doch auch immer irgendwie anders aus. Es wird nicht langweilig.
Zum Thema Feuchtigkeit: Wir tragen zwei Paar Socken immer im Wechsel. Tagsüber wird das nichtgetragene Paar körpernah getrocknet. Abends zieht man die trockenen Socken an. Die benutzten, feuchten Socken werden zum Frieren aufgehängt und am nächsten Tag dann wieder am Körper getrocknet. Das getragene Paar ist untertags umhüllt von einer Plastiksocke und dem Schuh, damit die Feuchtigkeit nicht in den Schuh kann und da gefriert. Dasselbe machen wir bei unseren Schlafsäcken: Vapour Barrier Liner (vpl) verhindert, dass bei extremer Kälte durch das Verdunsten die Wärme verloren geht. So vermindern wir die Gefahr von Dehydrierung.
Unser Ding des Tages: Palos Santos-Räucherholz, das gewisse Gerüche überdeckt …
18. Mai 2021: Herzschlag
Hier ist es so ruhig, dass man das Herz schlagen hört. Manchmal ungewohnt beunruhigend. Man nimmt seinen Körper ganz intensiv wahr.
Wir haben heute eine Gans gesehen! Sie ist von Ost nach West geflogen, wie verrückt … wahrscheinlich hat sie sich das gleiche über uns gedacht.
Wir bewegen uns weiter über den Pulverschnee. Es war ein windstiller Tag mit langer Mittagspause auf der Sonnenbank.
Heute Abend gab es Pasta mit Oliven, das war yummy!
Auch wenn es nachts richtig kalt ist, machen es uns die Wärmflaschen und die dicken Schlafsäcke schön kuschelig.
Mehr über Heim Expeditionen gibt’s auf der Website von Franzi und Ruppert unter heimexpeditionen.de
Unterstützt wird die Expedition von iceploration e.V.
Copyright Fotos: iceploration, Expedition Spurensuche 2020
Wer wissen will, wie wir aus solchen und ähnlichen Abenteuern in nur drei Schritten spannende B2B-Kampagnen machen: Auf in unser Basecamp.