Wenn man schießen müsste, hat man vorher schon einiges falsch gemacht
Trotz Corona hat sie es in die Weite geschafft: An Bord der Polarstern zur „MOSAiC“, der größten Arktis Expedition unserer Zeit. Die Augsburgerin Laura Schmidt bewacht dort die Forscher auf dem Eis vor Eisbären. Was treibt sie an? Wir sind regelmäßig mit ihr in Kontakt und begleiten ab sofort ihren Eisalltag im Rahmen unserer Serie „Lauras Polarzeit“.

XM: Hallo Laura, es ist toll, nochmal von Dir zu hören kurz bevor Du von Bord gehst – was bestimmt nicht einfach für Dich werden wird. Wir haben hier noch ein Thema, das viele aus der Community interessiert: Was macht Ihr, wenn ein Bär zu nahe an die Forscher herankommt? Gibt es einen festen Ablauf?
Laura: Das ist sehr stark situationsabhängig. Generell versucht man alles Erdenkliche, um Schaden zu vermeiden. Sicherheit und Schutz für die Menschen und den Bären stehen an erster Stelle. Daher gibt es die Brückenwache für den Überblick und den Stern Lookout auf der Heckseite des Schiffes. Und: Jede Gruppe auf dem Eis hat einen zusätzlichen Eisbärenwächter. Bei guter Sicht kann man schon sehr viel früher reagieren, ohne dass man überhaupt eine Flare Gun, also eine Signalpistole, einsetzen muss. Im Notfall setzt man sie aber ein, um den Eisbären zu vertreiben – und nicht, um ihn zu verletzen.

XM: Ist es denkbar, dass Ihr scharf schießen müsst?
Laura: Das Eisbärenthema ist nicht nur auf dem arktischen Ozean relevant, sondern betrifft auch Wandergruppen im arktischen Raum. Wenn man scharf schießen müsste, hat man deutlich vorher schon einiges falsch gemacht. Unsere Hauptaufgabe besteht darin, einen Kontakt mit dem Eisbären erst gar nicht zustande kommen zu lassen, d.h. unser Job ist, jeglichen Kontakt weit vorher zu verhindern, so dass eine Gefahrensituation erst gar nicht entsteht. Das bedeutet: Wird ein Eisbär zum Beispiel gesichtet, bevor die Gruppe auf das Eis geht, wird das Programm gestrichen und die Arbeit erst fortgesetzt, wenn das Tier außer Sichtweite ist und keine Gefahr mehr für Tier und Menschen besteht. Es geht ja darum, den Eisbären zu schützen und nicht eine Gefahr herauszufordern!
Liebe Laura, vielen Dank für Deine Einblicke, die Du uns in Dein Leben auf der Polarstern gewährt hast. Das war etwas ganz Besonderes! Komm gesund nach Hause. Wir freuen uns, wenn wir Dich dann in unserer SkyLounge begrüßen dürfen und Du uns nochmal alles ganz ausführlich erzählst. Bis dann!
Das Interview führte Markus
Copyright Bilder:
Sliderbild: Alfred-Wegener-Institut / Mario Hoppmann (CC-BY 4.0)
Bilder im Contentbereich: Laura Schmidt
Hintergrund
MOSAiC ist die die größte Arktis-Expedition unserer Zeit und bedeutet Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate. Seitens des Alfred-Wegener-Instituts für Polar-und Marineforschung wird diese einmalige Expedition seit ca. 10 Jahren vorbereitet und tritt in die Fußstapfen von Ideengeber Fridtjof Nansen. Im September 2019 hat der deutsche Forschungseisbrecher Polarstern den Hafen von Tromsö verlassen und driftet seit Oktober 2019 verankert an einer Eisscholle im arktischen Ozean. Ziel dabei ist, den Klimawandel in der Arktis besser zu verstehen, denn diese Region ist das Epizentrum der globalen Erwärmung. Nirgendwo sonst auf der Welt wird es so schnell wärmer als in dieser kalten, fragilen und einzigartigen Erdregion. Gleichzeitig ist die Arktis eng mit dem Wettergeschehen in unseren Breiten verknüpft. Wissenschaftler aus der ganzen Welt versuchen die komplexen Zusammenhänge und Prozesse von Ozean, Eis und Atmosphäre zu verstehen und somit Wissens- und Datenlücken zu schließen. Insgesamt ist die Expedition unterteilt in 6 Zeitabschnitte, für welche die Forscher und die Crew ca. alle zwei bis drei Monate mittels zusätzlicher Eisbrecher ausgetauscht werden.
Text: Laura Schmidt, https://alparctica.com