Jonas Hainz:
Speed on ice am Ortler

Ein junger Südti­roler klettert an der berüch­tigten Nordwand solo an seine Grenzen heran.

Furcht­erregend wirkt die Ortler-Nordwand in Südtirol. Dort ragt alleine die berüch­tigte Eiswand 1200 Meter steil in die Höhe. Der junge Südti­roler Alpinist Jonas Hainz (Jahrgang 1997) war dort bei einer Speed-Solo-Tour vom Tal aus innerhalb von zwei Stunden und 50 Minuten am Gipfel. Damit übertrumpfte er sogar einen Profi. Im Interview erklärt er, warum die Tour für ihn Heraus­for­derung und Genuss zugleich war.

Jonas Hainz freut sich auf die nächsten Heraus­for­de­rungen in den Bergen.

XM: Wie kamst Du auf die Schnapsidee, die Ortler-Nordwand alleine innerhalb eines Zeitlimits zu besteigen?

Jonas: Schon ein Jahr zuvor habe ich zusammen mit meinem Freund Samuel Holzknecht diese Nordwand bestiegen – bei eisigen Verhält­nissen in einer normalen Zeit. Es war ein schönes Erlebnis, das ich sehr genossen habe. In letzter Zeit habe ich einige Allein­gänge an Nordwänden in der Umgebung meines Heimat­ortes Bruneck gemacht und zwar mit wenig Ausrüstung und leichtem Material. Es hat mich gereizt auszu­pro­bieren, ob dieser minima­lis­tische Stil so auch am höchsten Berg Südtirols funktio­niert. Und ich wollte schneller vom Start­punkt im Tal zum Gipfel kommen als der deutsche Profi-Alpinist Fritz Miller im Jahre 2015. Dies ist mir dann tatsächlich mit drei Minuten Vorsprung gelungen. Dies war die einzige Referenz, die ich hatte. Es gibt aber sicherlich noch schnellere Begehungen, von denen ich aber leider bisher nichts weiß.

XM: Du hast Dir für Deine Tempo-Bolzerei ausge­rechnet die höchste Eiswand der Ostalpen ausge­sucht. Zudem ist sie verdammt steil mit bis zu 70 Grad. Wäre das für Dich nicht Motivation genug gewesen?

Jonas: Der Ortler ist für mich etwas Beson­deres. Er hat mich schon als Bub in seinen Bann gezogen. Mich faszi­niert, wie er majes­tä­tisch oberhalb des Südti­roler Bergdorfs Sulden thront. Und wie die Gletscher­ei­stürme (Seracs) von der Nordwand herun­ter­schauen, ist schon furcht­erregend. Mittler­weile stand ich achtmal auf dem Gipfel. Zum ersten Mal als Zwölf­jäh­riger zusammen mit meinem Vater. Er hat als Bergführer zwei Gäste auf dem Normalweg herauf­ge­führt. Die hatten ziemlich zu kämpfen, für mich war es nicht schwierig. Vom Vorjahr kannte ich ja die Nordwand und wusste, dass sie für mich bei guten Bedin­gungen kein allzu großes alpin­tech­ni­sches Problem darstellt. Darum wollte ich noch einen drauf­legen und mich beim Aufstieg an meine kondi­tio­nellen Grenzen herantasten.

1-Aufstieg-Ortler-NordwandcJonas-Hainz

Ein Blick zurück beim Aufstieg durch die Ortler-Nordwand.

XM: Dein Zeitziel war knapp unter drei Stunden vom Start im Tal bis zum Ortler­gipfel (3905 Meter). Wie lange braucht dafür ein Durchschnittsbergsteiger?

Jonas: Früher, als man die Nordwand noch im Sommer gegangen ist, sind viele Bergsteiger bei der Tabaret­t­ahütte (2556 Meter) in der Nähe des Einstieges gestartet. Von dort aus braucht ein Durch­schnitts­berg­steiger ca. fünf bis sechs Stunden. Beim Start im Tal – wie bei mir – dauert es bei guten Verhält­nissen norma­ler­weise etwa sieben bis acht Stunden. Bei schlechten Bedin­gungen sind mehr als zehn Stunden vom Tal aus keine Seltenheit.

XM: Du bist auch mit Deiner Freundin Eva in den Bergen unterwegs. Was hat sie von Deiner extremen Solo-Ortler-Tour gehalten?

Jonas: Hätte sie entscheiden dürfen, wäre wohl nichts daraus geworden. Begeistert war sie zwar nicht, aber Eva vertraut mir, dass ich keine unkal­ku­lier­baren Risiken eingehe.

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Vom Ortler-Gipfel reicht der Ausblick weit über die Bergketten.

Vieles passt zusammen

XM: Welche Voraus­set­zungen mussten passen, dass Dein Vorhaben erfolg­ver­spre­chend war?

Jonas: Gute Bedin­gungen waren das A und O. Sonst hätte es nicht funktio­niert. Für mich hieß es abwarten und im richtigen Moment zuschlagen. An einem Samstag im Mai haben viele Faktoren fast optimal zusammengespielt:
• Ich konnte praktisch vom Auto weg mit den Skiern an den Füßen starten. Somit habe ich später keine Zeit beim Abziehen der Skier vom Rucksack und beim Anschnallen verloren.
• Der Schnee beim Zustieg war nicht eisig. Somit konnte ich ohne die Verwendung von Harsch­eisen zusteigen.
• Wetter und die Sicht waren perfekt.
• Die Tempe­ra­turen waren am Morgen mit etwa minus fünf Grad tief genug, sodass kein Stein­schlag zu erwarten war.
• Die sonst oft felsdurch­setzte Minni­gerode-Rinne, durch die ich abgefahren bin, war perfekt neu eingeschneit.
• Ich konnte mit den Skiern ziemlich weit abfahren, bevor ich sie wieder auf den Rucksack schnallen musste.
• Ich war körperlich und mental in einer guten Form und überzeugt, dass ich das Projekt verwirk­lichen kann.

XM: Warum eine Solo-Tour? Wäre es nicht schön gewesen, die Erfahrung mit jemand anderen zu teilen?

Jonas: Aus Gründen der Schnel­ligkeit und Sicherheit habe ich die Solo-Variante gewählt. Bei einem Problem kann einem dabei zwar keiner schnell helfen. Dafür kann ich mich voll und ganz auf mich selbst konzen­trieren. Ich muss nicht darüber nachdenken, was der Seilpartner macht, muss mich an niemanden anpassen und bin für meine Entschei­dungen selbst verant­wortlich. Ich persönlich bin oft mit Kollegen, aber auch immer wieder mal alleine unterwegs. Durch diese Abwechslung erweitere ich meinen Horizont beim Bergsteigen.

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Am frühen Morgen ist Jonas Hainz der Erste am Ortler-Gipfel.

Zuvor gibt es Müsli

XM: Warst Du aufgeregt vor dieser spannenden Tour? Hast Du davor überhaupt noch ein Frühstück heruntergebracht?

Jonas: Die Nacht vor der Tour war mein Schlaf schon ein wenig durch­wachsen. Da ich aber schon sehr früh ins Bett gegangen bin, war ich am nächsten Tag recht gut ausge­schlafen. Mein Müsli-Frühstück habe ich bis jetzt noch vor jeder Tour runter­ge­bracht und das wird sich hoffentlich in Zukunft auch nicht ändern. Ich bin jemand, der vor und während langer Touren sehr viel essen und trinken kann und auch muss. Wenn ich hier Kompro­misse eingehe, kann ich während der Tour meine Leistung nicht so entfalten, wie ich es mir vorstelle.

XM: Du bist zunächst mit Skiern, dann mit Steig­eisen und Eispi­ckeln aufge­stiegen, mit Skiern abgefahren, zu Fuß weiter bergab, im Tal angekommen mit dem Rad zum Ausgangs­punkt zurück. Was war am anstrengendsten?

Jonas: Für mich als Vollblut­ski­fahrer war natürlich der Zustieg und Aufstieg über die Nordwand der anstren­gendste Teil. Dort musste ich darauf achten, mit meinen Kräften gut hauszu­halten und in keiner Situation zu übertreiben. Dies ist mir sehr gut gelungen.

Das Zeitziel motiviert

XM: Du hast Dich ja mit dem selber gesteckten Zeitziel bis zum Gipfel selber unter Druck gesetzt. Bestand da nicht die Gefahr, dass Du zu viel riskierst?

Jonas: Das Zeitziel war für mich kein Druck, sondern Motivation. Beim Bergsteigen muss man sich aber immer mit der Gefahr, zu viel zu riskieren, ausein­an­der­setzen. Insbe­sondere dann, wenn man persön­liche Limits verschieben will. Entscheidend ist schon vorab, sich durch mentales und körper­liches Training perfekt auf eine Tour vorzu­be­reiten. Zudem ist es notwendig, viel in den Bergen unterwegs zu sein, Erfahrung zu sammeln und auf die Rufe des Berges zu hören.

XM: Hast Du bei dieser Speed-Tour noch einen Blick gehabt für die traum­hafte Berglandschaft?

Jonas: Beim Aufstieg habe ich mich voll und ganz auf mich selber konzen­triert. Zumal es beim Start noch dunkel war. Die Nordwand selber eignet sich auch kaum als Aussichts­punkt. Dafür konnte ich auf dem Gipfel und bei der Abfahrt den Ausblick auf die gesamten Ortler­alpen und die umlie­gende Bergketten umso mehr genießen. Da kam es mir ja auch nicht mehr so sehr auf die Zeit an.

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Durch den Pulver­schnee der Minni­gerode-Rinne führt die Abfahrt als Höhepunkt der Tour.

Die Alarm­glocken schrillen

XM: Gab es Momente, wo Du gedacht hast: Mist! Es haut doch nicht hin mit unter drei Stunden?

Jonas: Beim Einstieg zur Nordwand sah ich am Ortler­gipfel riesige Windfahnen. Meine inneren Alarm­glocken schrillten. Ich machte mir Sorgen, dass auf meiner Abfahrts­route in der Minni­gerode-Rinne mögli­cher­weise Lawinen­gefahr herrschen könnte. Bei starkem Wind hätte ich mir auch Erfrie­rungen im Gesicht und an den Händen zuziehen können. Mein Bauch­gefühl sagte mir aber, dass es klappen würde. So bin ich weitergegangen.

XM: Wenn es nicht geklappt hätte, hättest Du es später noch einmal probiert?

Jonas: Ich glaube, dass ich mir kurz- und mittel­fristig wahrscheinlich ein anderes Ziel gesucht hätte. Schließlich muss man sich an der Ortler-Nordwand immer der Gefahr durch Eis- und Stein­schlag bewusst sein. Man kann schon sehr zufrieden sein, wenn man keinerlei Kratzer abbekommt. Allzu oft sollte man diese Tour darum nicht wagen. Es gibt so viele schöne Ziele in den Alpen und weltweit, dass man in einem Leben nicht einen Bruchteil davon abhaken kann. Wo es mich langfristig hintreibt und ob ich vielleicht nochmals einsteige, um meinen persön­lichen Rekord zu brechen, kann ich derzeit noch nicht sagen.

XM: Aber es hat ja geklappt. Schon nach 2 Stunden und 50 Minuten warst Du ganz oben auf dem Ortler. Beschreibe mal Deine Gipfel-Gefühle in diesem Moment.

Jonas: Das erste Gefühl war: Schei.., es ist Ar…- kalt und windig. Wenn ich keinen angeneh­meren Platz finde, bekomme ich an den Händen Erfrie­rungen. Denn meine Hände werden ziemlich schnell kalt. Es stellte sich dann aber zum Glück heraus, dass es knapp unterhalb des Gipfels auf der windab­ge­wandten Seite fast windstill war. Dann genoss ich kurz meinen Gipfel­erfolg und schon war es Zeit für die Abfahrt.

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Auf der Heimfahrt blickt Jonas Hainz von Außer­sulden aus noch einmal auf die Ortler-Nordwand zurück.

Glücks­ge­fühle im Pulverschnee

XM: War das dann die Kür nach der Tortur zuvor?

Jonas: Die Abfahrt mit den Skiern ist für mich die Krönung von jeder Skitour. Auf meiner Route durch die Minni­gerode-Rinne lag frischer Neu-Schnee, der geradezu auf eine erste Spur gewartet hatte. Die Glücks­ge­fühle im Pulver­schnee bis über den Ohren waren unbeschreiblich. Das übertraf das Gipfel-Glück noch bei Weitem. Der anschlie­ßende Abstieg zu Fuß und die Rückfahrt mit dem Fahrrad zum Auto waren dann nur noch Mittel zum Zweck.

XM: Wie hast Du im Tal Deinen Erfolg gefeiert?

Jonas: Da braucht es keine Feier. Am meisten freut es mich, in den Tagen danach meine Erleb­nisse mit Freunden zu teilen. Und wenn ich mir die Fotos und Videos der Tour anschaue, denke ich mir: Diese atembe­rau­bende Erleb­nisse kann mir keiner mehr nehmen. Passend zum Motto: Collect moments, not things.

XM: Was wird Deine nächste Heraus­for­derung?

Jonas: Ich habe mir noch nichts ausge­sucht. In meinem Kopf schwirren immer wieder neue Ideen herum. Ich plane aber nicht lange im Voraus, sondern frage eher: Wann ist der richtige Zeitpunkt, passt das Wetter, bin ich fit genug? Wenn all das möglich ist, dann packe ich es relativ kurzfristig an.

Interview und Text: Andreas Schmidt
Bilder: Jonas Hainz

Hinweis: Das Bild im Header entstand auf einer Tour im Jahr zuvor. Jonas fotogra­fierte seinen damaligen Begleiter Samuel Holzknecht am Seil. Das Foto soll zeigen, wie steil die 1200 Meter hohe Eiswand ist.

Hinter­grund­infos

Die Tour im Überblick

Start: Um 4.56 Uhr in der Früh am Fernheizwerk in Sulden in 1835 Meter Höhe.
Aufstieg: Zunächst mit Skiern bis zum Einstieg der Nordwand, danach mit Steig­eisen und Eispi­ckeln durch die Nordwand
Gipfel: In 3905 Meter Höhe erreicht um 7.46 Uhr somit 2 Stunden und 50 Minuten nach dem Start
Abfahrt: Über unver­spurten Schnee durch die Minni­gerode-Rinne bis zur Mittel­station der Seilbahn. Von dort Abstieg zum Großteil zu Fuß bis zur Talstation. Mit dem dort deponierten Fahrrad zurück zum Ausgangs­punkt.
Gesamt­dauer der Tour: 3 Stunden und 59 Minuten
Distanz: 20,9 Kilometer
Höhen­meter: 2150

Zur Person: Jonas Hainz

Jahrgang: 1997
Wohnort: Bruneck
Beruf: Techni­scher Support in einer Kunst­stoff­pro­duktion. Derzeit auch in der Ausbildung zum Bergführer
Sport­liche Erfolge: Im Grund- und Oberschul­alter bei Skirennen, Radrennen und Kletter­wett­be­werben. Nie irgendwo der Beste, aber immer schon ein guter Allrounder.
Hobbys: Skitou­ren­gehen, Klettern, Bergsteigen in all seinen Facetten, Radfahren, Modell­fliegen, Kochen

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Es ist soweit, letzter Arbeitstag vor der Winterpause. Zeit für uns und unseren CEO Markus (aka @schwarzfuchs01) Danke zu sagen - für den guten Austausch hier ebenso, wie für immer wieder neue Inspiration und Impulse aus Euren Posts. Ach ja, er hat gesagt er hat 307 persönliche Weihnachtskarten geschrieben und wir glauben das stimmt, denn wir haben sie vorhin zur Post gebracht - nix Vordruck, alles per Hand 😜👉 #normalroutenverlasser 

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Zum kompletten Clip samt Infografik und allen Bildern, Siehe Link in Bio ☝️☺️ - viel Spaß!

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Bei Expedition Marke machen wir übrigens jeden Tag Ähnliches, nur in Bezug auf #Marken: Wir matchen in einem dreistufigen Prozess eher wenig emotionale Industrieunternehmen mit hochemotionalen Storylines und erzählen die Geschichte dann als #kampagne über alle Kanäle hinweg. Was dabei an #Brandmarketing-Projekten
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