Das Expeditionstagebuch:
2. Juni bis 7. Juni 2021
800 KM, 45 Tage, 1 Mission: Unsere NORMALROUTENVERLASSER Franzi, Hanna und Ruppert durchqueren Grönland auf ihrer „Mission Eis-Check 1912“ – die Wiederholung der Grönland-Expedition des Polarforschers Alfred de Quervain von 1912, um dessen Messungen der Eisdicke zu wiederholen.
Als Sponsor unterstützen und begleiten wir ihre Expedition und geben Euch ihre Eindrücke in unserem Expeditionstagebuch wieder.

2. Juni 2021: Mitternachtssonne
Um drei Uhr hat der Wecker geklingelt. Bei Windstille sind wir 8 km gelaufen bis Ruppert keine Lust mehr hatte. Er ist immerhin schon 20 km von den 400 km seit es bergab geht ohne Kite gelaufen. Er lässt den Kite fliegen und trägt ihn spazieren. Funktioniert gut und zieht uns gemächlich, meditativ bergab.
Wegen der Spalten waren wir die ganze Zeit angeseilt. Über uns blauer Himmel, auf dem Landabschnitt am Meer erstreckte sich ein Wolkenband. Wir konnten sehen, dass es dort schneit. Als wir Eisbärspuren entdeckten, waren wir sehr erstaunt, denn das ist an der Westküste sehr unwahrscheinlich. Vielleicht eine Mutter mit Kindern?
Wir erreichten heute unseren ersten türkis leuchtenden Flusslauf mit See. Beim Darüberlaufen knackte es dumpf und knirschte. Manchmal sind wir ca. 10 cm eingebrochen. Zum Glück schwimmen die Schlitten. Es ging weiter zu Fuß über große, halb offene Seen. Es hat sich alles sehr gezogen. Teilweise sind die Schmelzbäche so breit, dass wir Umwege laufen müssen.
13 km vor der westlichen Eisgrenze hatten wir einen Tiefpunkt – wir waren echt fertig. Wir haben über die Route durchs Wasserlabyrinth diskutiert – Zelte aufbauen oder durchziehen? Schokolade und Nüsse haben geholfen. Weiter ging’s mit Fallwinden im Rücken, weswegen wir wieder einen Kite vor die Seilschaft spannen konnten.
Als wir nur noch 3 km von der Eiskante entfernt waren, kam wieder ein riesiger Schmelzwasserfluss mit Sumpf. Ruppert hat versucht darüber zu Kiten (Wasserskifahren) und ist gescheitert. Er stand bis unters Knie im Wasser. Daraufhin haben eine andere Überquerungsstelle gesucht. Da Ruppert sowieso schon nasse Füße hatte, hat er sich geopfert und uns über den Wasserlauf getragen und die Schlitten rüber gezogen. Rupperts Hose und Skischuhe sind sofort gefroren. Die letzten Kilometer konnten wir nochmal kiten.
Es ist eine atemberaubende Kulisse. Die Mitternachtssonne steht über den dunklen Bergen. Wir sehen das Meer und die Eisberge in wunderschönem Licht.
Als es am Ende nochmal steil bergab ging, wurden wir alle drei sehr emotional. Viele Gedanken. Wir müssen erstmal verarbeiten, was wir geschafft haben.
Angekommen am Camp, war erstmal wichtig das Zelt aufzubauen und Rupperts Füße mit der Eisaxt aus den zugefrorenen Skischuhen zu befreien. Wir sind hundemüde nach einem 23 Stunden langen Tag und schnell eingeschlafen.
3. Juni 2021: Nachspeise
Heute haben wir erstmal ausgeschlafen. Geweckt wurden wir von starken Fallwinden. Wir genießen die ersten Steine mit ihren Flechten und Blümchen zwischendrin und haben einen Polarfuchs, einen Hasen und ein Huhn gesehen.
Nun müssen wir unsere Sachen bis Port Victor ans Meer tragen. Dort holt uns ein Freund von Nikoline, einer grönländischen Freundin aus Ilulissat, mit dem Boot ab. Um das Gepäck übers Land zum Hafen zu transportieren, müssen wir dreimal zum Ausgangspunkt zurück. Das heißt wir laufen dieselbe Strecke fünfmal, weil das Gepäck so schwer ist. Wir haben noch Essen und Sprit für ca. 14 Tage übrig. Jeder Tag wiegt 3,7 kg und wir haben 45 Camps eingeplant. Die Kiteausrüstung macht den anderen großen Teil des Gewichts aus. Das ist der Nachteil, wenn man schnell durchkommt.
Alles fühlt sich an wie der Nachspann nach der Expedition. Wandern entspannt, weil es keine wirklichen Gefahren mehr gibt. Fühlt sich an wie Urlaub: die Gerüche, die Natur mit Flora und Fauna… im Gras liegen. Es hat ca. 0 Grad, ist windig mit blauem Himmel. Wir merken, was die Schlitten tragen mussten und die Kites an Arbeit geleistet haben. Die Skier gleiten deutlich besser als die Füße. Die Schlitten transportieren wir wie Schildkrötenpanzer auf unseren Rücken durchs Gelände, was sehr windanfällig ist. Alles andere haben wir in Taschen gepackt, die wir wie Rucksäcke auf den Rücken schnallen.
Da müssen wir jetzt noch durch, aber die Natur ist wirklich so wundervoll.
4. Juni 2021: Frühlingserwachen
Wir kommen nur mäßig vorwärts, bekommen dafür aber umso mehr von der Natur um uns herum mit: Raupen, Marienkäfer, Blumen, zwitschernde Vögel, Zwergbäume (1 cm hoch).
Die Schneehühner lachen uns gefühlt aus, wenn sie an uns vorbeifliegen. Von dem letzten Camp auf dem Eis sind wir nach zwei Tagen Gepäckschleppen noch 3,2 km entfernt. Aber wir sind die Strecke fünf Mal gelaufen, um unsere Sachen alle zu transportieren. Bis zum Meer sind es nochmal 3,1 km. Es kommt uns alles sehr langsam vor. Von der Eismitte haben wir 420 km in sechs Tagen geschafft – jetzt brauchen wir für 6 km vier Tage. Mühen uns sehr ab. Die Landschaft macht alles wert: plätschernde Bäche, nasses Moos und moorige Umgebung. Hanna hat nasse Füße. Unsere schweren Taschen verwenden wir als Heringe am Zelt. Wir können immer noch gut lachen, besonders wenn wir Schokolade gegessen haben.
5. Juni 2021: Grünland
Ruppert ist am Morgen vorgelaufen, um den weiteren Weg und die Gegend zu erkunden. Es zieht sich alles länger als gedacht. Es ist sehr steil und wir müssen alles drei- bis fünfmal hoch und runter. Wir haben entschieden, das Boot nochmal zu verschieben, so dass wir jetzt am Montag abgeholt werden. Danke an Nikoline, die das alles für uns organisiert.
An einem See haben wir einen wunderschönen Platz für unser Camp gefunden. Es wird immer grüner. Wir beobachten ein verliebtes Kanadagänsepaar direkt vor der Zelttür. Wir laufen barfuß über Flechten und Moose und haben unsere Füße gebadet. Zum Glück geht hier ein leichter Wind, der die Moskitos in Schach hält. Auf dem Weg haben wir immer wieder einen tollen Blick auf den Eqi-Gletscher, der 80 km von Ilulissat entfernt in einen Fjord mündet. Das Schöne beim Hin- und Herlaufen ist, dass man die Umgebung von allen Seiten sehen kann. Bevor wir die letzten 700 m bis zum Meer in Angriff nehmen, müssen wir noch einmal die letzte Etappe zurücklaufen, um die letzten Gepäckstücke zu holen. Dann sehen wir nochmal das Inlandeis.
Ein paar Mückenstiche haben wir schon. Die letzten weißen Schneeflecken an den Nordhängen kämpfen gegen die Mitternachtssonne an und die Schneehühner fangen langsam an, sich von weiß in braun zu verfärben.
6. Juni 2021: Eqi-Gletscher
Am Morgen sind wir nochmal auf den Berg hinauf und haben die letzten Gepäckstücke geholt. Hier liegen viele Steine in den verschiedensten Farben und Mustern: rote, blaue, grüne, …
Die Urgletscher haben große Findlinge in der ganzen Landschaft verteilt. Vor allem auf den abgeschliffenen Hügeln. Es ist eine Besonderheit, wenn ein großer Findling auf drei kleinen Steinen liegt. Sieht so aus als hätte das jemand so hingelegt.
Heute sind wir zum ersten Mal mit dem Gepäck bis ans Meer gelaufen und haben unsere Hände ins Wasser getaucht. Hier am Eqi-Camp sind 16 rote Hütten auf Stelzen. Außer uns ist niemand da. Das letzte Mal war jemand 2020 hier. Wir haben einen wunderschönen Blick auf den Gletscher. Man kann die Abbruchkante beobachten, wenn Eis abbricht. Und man hört ein lautes Wummern.
Wir können die Schneehühner beobachten wie sie sich jagen (Paarungszeit?). Eine letzte Nacht schlafen wir am See oben in der „Wildnis“. Und morgen geht’s dann mit dem restlichen Gepäck nach unten.
Das Eqi-Camp ist ein interessanter Ort. Die 16 Hütten und vier Luxus-Zelte liegen genau gegenüber des ewig kalbenden Gletschers Eqip Sermia. Es ist das einzige Camp solcher Art in der grönländischen Einöde und hier wird sehr viel Rücksicht auf CO2-Ausstoß und die Umwelt genommen. Momentan ist es geschlossen. Auch geschichtlich ist das Eqi-Camp sehr interessant. Die Hütten liegen direkt neben der „Franzosen-Hütte“, die ehemalige Basisstation für die Untersuchungen und Expeditionen von Poul Emil Victor zwischen 1948 und 1953. Von hier aus haben die Franzosen die Dicke des Inlandeises gemessen. Mehr als 60 Jahre später sieht man deren Spuren noch immer: Ketten, Brücken, Ölfässer, eine geschlossene Seilbahn und einige große Aluminiumschlitten, die am Rand des Inlandeises liegen.
Wir bereiten uns schon langsam auf den Rücktransport vor und trocknen unter anderem die Kites. Genießen noch die Ruhe und die Sonne hier.
Quelle: https://www.greenland-travel.de/inspiration/reisefuehrer/eqi-der-kalbende-gletscher/
7. Juni 2021: Dankeschön
Heute haben wir die letzten Sachen hinunter zum Meer gebracht und waren im See „baden“. Es war a**** kalt 🙂
Unser Zelt haben wir auf einer Holzplattform aufgebaut. Zwei Wochenendausflügler statteten dem Eqi-Camp einen kurzen Besuch mit dem Boot ab. Kurz bevor sie wieder weggefahren sind, sind wir schnell zu ihnen gelaufen auf einen kleinen Ratsch. Unsere ersten Menschen seit 35 Tagen! Wahrscheinlich sehen wir sie in Ilulissat wieder und treffen uns auf ein Bier.
Abends waren wir auf der Seitenmoräne vom Eqi-Gletscher. Es donnert beim Kalben, Eis bricht ins Meer, spritzt ganz hoch, dann Wellen… Super schönes Licht. Wir sind der Natur sehr dankbar, dass sie so gut mit uns umgegangen ist und wir ihre Schönheit und Größe erleben durften und gesund wieder in die Zivilisation kommen. Das wird die letzte Nacht in unserem Zuhause der letzten 4 Wochen (Zelt). Die Moskitos bleiben zum Glück draußen!
Wir hoffen, der Bootsführer fällt vom Gestank nicht in Ohnmacht!
Wir haben heute drei Steine von Tasiilaq hier an der Westküste ins Meer geworfen. Dankeschön, für diese wunderbare Tour! Wir haben die 800 km-Marke überschritten.
Mehr über Heim Expeditionen gibt’s auf der Website von Franzi und Ruppert unter heimexpeditionen.de
Unterstützt wird die Expedition von iceploration e.V.
Wenn nicht anders vermerkt
Copyright Fotos: iceploration, Expedition Spurensuche 2020
Wer wissen will, wie wir aus solchen und ähnlichen Abenteuern in nur drei Schritten spannende B2B-Kampagnen machen: Auf in unser Basecamp.